„Geheime Klänge“ in der Kleinen Reihe – ein ergreifendes Konzert
NECKARTENZLINGEN. Drei junge Musiker beeindruckten tief mit ungewöhnlichem Programm und empfindungsreichem Musizieren. Ein ganz besonderes Konzert sei das gewesen, sagte eine sichtlich tief bewegte Besucherin beim Hinausgehen den Veranstaltern der Kleinen Reihe des Kulturrings Neckartenzlingen.
Farbenreiches Spiel, differenzierende Artikulation, meisterhafte Spieltechnik, feinfühliges Zusammenspiel: Markenzeichen von Mathis Krause, Oboe, Antonia Jaeger, Klarinette, und Philipp Solle am Flügel. Moderationen machen Hintergründe der Verfemung der Komponisten deutlich, Charakteristisches der Werke wird angesprochen, in den Interpretationen ausgespielt. Das förderte verstehendes, empathisches Hören. Meist Beschränkung auf exemplarische Sätze der vorgetragenen Sonaten. Das machte die Vielfalt einer Musik deutlich, die als „entartet“ verboten wurde. Das ergriff. Suche nach neuen Formen in einer durch den Ersten Weltkrieg sich auflösenden alten Ordnung im 1. Satz aus dem frühen Trio von Francis Poulanc für Oboe, Fagott und Klavier (1917). Collagenartig werden Mozart‘sche Anklänge mit denen der Salonmusik und zeitgenössischen, dissonanten, durch unterschiedliche Harmonien sich bewegende Passagen verbunden. Im Alterswerk wandelt sich seine Musiksprache: Zu hören in ausgewählten Sätzen seiner Sonate für Klarinette und Klavier und der für Oboe und Klavier aus dem Jahr 1962. Dunkel und sehnsuchtsvoll im Gesamtduktus der Melodie die eine, die andere in wechselnden Charakteren.
Mieczysław Weinberg emigrierte seiner jüdischen Herkunft wegen 1939 in die Sowjetunion. In den beiden ersten Sätzen seiner Sonate für Klarinette in A und Klavier op. 28 (1945) werden Tradition und Gegenwart zu einer zeitbezogenen Musiksprache voller Brüche und schrillen Dissonanzen.
Jude zu sein genügte bei Hans Gál, dass er, der eine tonale Musiksprache in der Tradition Brahms pflegte, 1933 emigrierte. Musikalischer Beleg seines Schaffens: ein Satz aus der Sonate für Oboe und Klavier op. 85 (1965). Atonaler Geräuschemacher“ sei Paul Hindemith, der ab 1936 Aufführungsverbot hatte. Emigration 1938. Expressiv, dissonant und humorvoll: der zweite Satz seiner Sonate für Klarinette und Klavier (1939). Beispiel der Neuen Musik.
Zwei Werke in Gänze zu hören – Höhepunkte des Abends – ausdrucksstarkes Musizieren. Bohuslav Martinůs spannungsvolle Sonatina für Klarinette und Klavier (1956), reich an folkloristischen Anklängen, kontrastreich in den Stimmungen. Der Tscheche schließt sich 1939 beim Einmarsch der deutschen Truppen dem Widerstand an, emigriert 1940. Pavel Haas stand 1938 am Beginn einer großen Karriere, wird nach der deutschen Besatzung Tschechiens als Jude ausgegrenzt, deutlich in den biografischen Notizen im Autografen der Suite für Oboe und Klavier (1939). Ein Werk zwischen Furcht und Entsetzen, in einer zermürbenden Zeit, kämpferisch auch, geprägt vom uralten St.-Wenzels-Choral, Hoffnungs- und Widerstandszeichen. Am 17. oder 18. Oktober 1944 wird Haas im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet.